Laudatio Theatermaske

Laudatio Barbara Ullmann

 von Dieter Lintz

Es gibt zwei Arten von Schauspielern, man kennt das von der Bühne, aber auch vom Film. Die einen spielen, was auch immer sie spielen, im Kern stets sich selbst. Sie drücken jeder Rolle ihren Stempel auf, sie bringen immer ihre eigene Körpersprache ein, ihre mimischen Möglichkeiten sind meist begrenzt. Aber oft werden gerade sie zu Stars, wegen den Wiedererkennungswertes, weil man sie mag, weil man sich mit ihnen identifiziert. 

Aber die richtig große Schauspielkunst beginnt erst mit den anderen. Mit denen, die in einer Rolle aufgehen. Die sich verändern, wenn sie auf einer Bühne stehen. Die Engel und Teufel sein können, vielleicht sogar in ein und derselben Figur. Die mehrdimensional spielen, die unberechenbar sind, die das Publikum überraschen und faszinieren. Die Abgründe im Lustigen aufspüren – und Lustiges in Abgründen.

 Zu dieser Kategorie der besonderen Schauspieler gehört Barbara Ullmann. Die Spanne, die sie in dieser Saison durchmessen hat, zwischen der reglosen Strenge der Königin Elisabeth und der fröhlichen Anarchie des Puck, diese Spanne ist gigantisch. Wäre jemand kein Stammzuschauer im Trierer Theater, und man setzte ihn in diese beiden Produktionen: Ich glaube, er käme nicht auf die Idee, dass es sich um die gleiche Darstellerin handeln könnte.

 Da fallen einem etliche Rollen in den letzten Jahren ein, über die man Ähnliches sagen könnte. Die vergleichsweise junge Mutter Courage beispielsweise, die um ihren kleinen Anteil am vermeintlichen Glück so kämpft, dass sie am Ende alles verliert. Eine Tragik, an der nichts dick aufgetragen ist, die nicht darauf basiert, dass man billig um Mitleid für die gespielte Figur wirbt.

Und dann als Kontrast die saumäßig deftige Komik in der offenen Zweierbeziehung von Dario Fo, die den Zuschauer gnadenlos zum Lachen zwingt. Und dann wieder die unmittelbare, packende  Präsenz bei einem Jugendstück wie „Aussetzer“, das die Gewalt in der Schule beschreibt. Nicht zu vergessen die umwerfende Schlagfertigkeit beim Theatersport. Und, und, und, und. Regie führt sie übrigens neuerdings auch noch.

 Am Theater haben die meisten Leute ja kein besonders gutes Gedächtnis. Aber ich kann mich noch recht genau an die Spielzeit 1987/88 erinnern, es waren turbulente Zeiten, in der Vorsaison hatte es mit Schillers „Räubern“ und „Gerettet“ von Edward Bond zwei Theaterskandälchen, für Trierer Verhältnisse also: Skandale gegeben. Und dann kam eine große Produktion mit zwei bezaubernden jungen Schauspielerinnen, die gerade frisch von der Schule ans Theater Trier gewechselt waren und jetzt die Rosalinde und die Celia in Shakespeares „Wie es euch gefällt“ spielten. Die eine hieß Ursula Schmitz, die andere Barbara Ullmann. Zeitgleich gab es eine weitere Produktion mit Barbara Ullmann, und will nicht völlig ausschließen, dass es diese Produktion war, die dafür gesorgt hat, dass mir die junge Dame gleich im Gedächtnis haften blieb. Das war eine Revue namens Cafe Wahnsinn im Studio, und Frau Ullmann tanzte dort einen Striptease rückwärts und sang dazu ein Chanson, an das ich mich, warum auch immer, nicht mehr so genau erinnern kann. Die Szene war für Trierer Verhältnisse recht freizügig, was im Nachhinein sehr verwundert, weil sie ja vor 25 Jahren höchstens fünfzehn gewesen sein kann, wenn man sie heute so sieht.

 Mit der Familienplanung kam dann das Ende des festen Theater-Engagements, und Auftritte im Trierer Haus wurden eine Rarität. Dafür gab es etliche wunderbare Kleinkunstprogramme, Chanson-, Lieder- und Themenabende auf vielen Bühnen der Region und darüber hinaus, dazu eine engagierte theaterpädagogische Arbeit. Trotzdem war es ein Glücksfall, dass sie ab 2004 wieder zunehmend auf die Theaterbühne zurückfand, und man muss Intendant Gerhard Weber für sein gutes Händchen loben, diesen Schatz neu für das Trierer Theater gehoben zu haben. Aber da war offenkundig auch etwas, was bei ihr auf den Ausbruch wartete nach all den Jahren.

 Wann immer ich Barbara Ullmann sehe, freue ich mich auf all das, was da noch kommen kann. Auf die Perspektive vor allem, mit ihr ein Repertoire neu zu entdecken, das wir in unserem Theatergedächtnis sonst mit älteren Frauen assoziieren, wie es etwa bei der Courage war. Was sind da für Überraschungen drin! In diesem Sinne ist die Theatermaske natürlich auch eine Ermutigung, weiter couragiert auf Neues zuzugehen, nicht in Routine zu erstarren, wie es manchem Schauspieler nach 25 Jahren eben auch passiert. Aber bei Barbara Ullmann, dessen bin ich sicher, muss man sich da keine Sorgen machen.

 Herzlichen Glückwunsch zur Trierer Theatermaske 2012.

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